Apfelmännchen-Zooming nach innen; in Bild 6 und 7 sitzt ein Neues in der Mitte

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Chaos, Biologie und Fraktale

Teil1: Computerfraktale und ihre Seele

(Veröffentlichung 1996)

Teil 1a

 

Das Mandelbrotsche Apfelmännchen

Das berühmte Mandelbrot`sche Apfelmännchen ist heute nicht weniger geheimnisvoll als am Tage seiner Entdeckung. Je mehr man sich mit ihm befaßt, desto faszinierender und rätselhafter erscheint es. Sicherlich hat jeder dieses Computerbild schon einmal gesehen. Es sieht tatsächlich aus wie ein Apfel, jedenfalls an seiner rechten Seite. Zusätzlich hat es kugelige Anhängsel wie beim Kugelkaktus, die ihrerseits die gleichen Knospen tragen, so daß das Apfelmännchen auf den ersten Blick stachelig wirkt. Aber die Stacheln sind alle wieder Kugeln mit Kugeln daran.

Die größere Struktur wird im Kleinen immerfort wiederholt (s.oben und Serie1 , Serie2 ). Das Ganze ist im Teil enthalten. Man nennt das Selbstähnlichkeit. Benoit B. Mandelbrot hat für alle solche Strukturen den Begriff "fraktal" eingeführt. Die Wiederholungen müssen nicht total identisch sein, es genügt eine deutliche Ähnlichkeit. So ähneln sich alle Blätter, alle Äste, alle Früchte eines Baumes, alle Tiere einer Art, alle Tropfen einer Flüssigkeit, selbst die Wege der Regentropfen an der Fensterscheibe. So ähnelt ein Ei dem Anderen. Die computererzeugten Fraktale sind in jeder Skalengröße selbstähnlich, aber nie ganz identisch. Jedes Objekt trägt individuelle Züge und erinnert auch meistens an Lebewesen.

Man muß die Details selbst betrachten, das läßt sich nicht beschreiben. Die verschiedensten Assoziationen entstehen:

Das Apfelmännchen weist eine unglaublich komplizierte Randstruktur auf, denn außer den Knospen des Hauptkörpers hängen an extrem dünnen Verbindungsfäden ("Antennen") wieder neue, mikroskopisch kleine Apfelmännchen, die unter sich in Verbindung zu stehen scheinen, und die selbst ein eigenes Heer von kleineren Ableger-Apfelmännchen besitzen. Sie bilden jeweils die Zentrale in geradzahligen Antennenverzweigungen, oder sie ruhen wie in magischen Zentren, um die sich spiralige Strukturen winden, ähnlich den Spiralbalken kosmischer Sternsysteme. Sie scheinen Kräfte auf ihre Umgebung auszuüben, vom weiten her klar anziehend, in der Nähe aber türmen sich viele sehr kleine Ableger zu Hindernissen, erzeugen Ablenk-Einrichtungen, als ob sie ein anströmendes Meer in Spiralen leiten und aufzusaugen hätten. Man glaubt, eine harmonisch versumpfte Küstenlandschaft vor sich zu haben, die jede Meereswelle völlig zu entkräften hat, falls diese jemals das Ufer erreicht. Es ist ein unendliches Labyrinth, aber voll ausgewogener Harmonie und Schönheit. Kein Mensch hätte sich so etwas ausdenken können.

Und im Detail, wie könnte es anders sein: In den spiraligen Strukturen finden sich, zwischen doppelreihigen Wirbellöchern, wie im Schwerpunkt der Kräfte, wieder weitere klitzekleine Apfelmännchen. Sie liegen wie schwimmende Pfeile in der auf Null abgebremsten Strömung, genau in der Mitte zwischen den Wassern oder Kräften. Mal liegen sie auf der kürzesten Verbindung zwischen zwei, offenbar gegenpoligen Wirbeln, mal auf der Diagonale. Aber nie zwischen gleichpoligen. Jedes Wirbelauge ist also über den Apfelmännchen-Verbinder mit zwei Gegen-Wirbeln verbunden, was der Kette Festigkeit und Biegsamkeit verleiht. Man wird an Fahrradketten oder biegsame Wirbelsäulen erinnert. Die markierten Iterationsanstiege bewegen sich wie Wellenfronten, oder als wären dort gebogene Feldlinien. Auf der Außenseite, am Wasser-Flußarm, den die Spirale einfängt, trägt demnach das rechte Ufer die umgekehrte Ladung wie das linke Ufer.

Das System ähnelt auch einem Schwamm, nur ist es schöner, weil vielfältiger und trotzdem wie aus sich selbst heraus entstanden: Etwas Großes "verdunstet" unablässig seinen eigenes Abbild in klitzekleiner Form nach allen Seiten. Die "Verdunstungsobjekte" tun das ebenfalls und die hervorquellende Masse beeinflußt sich gegenseitig, schiebt und reibt und schafft sich schließlich Platz durch Spiralenbildung. Große Nischen werden nach festen Gesetzen belegt und lassen kleinere Nischen frei. Diese werden analog besetzt usw., wie bei den Öko-Nischen und in der Marktwirtschaft.

Programmierung

Und jetzt kommt das eigentliche Wunder: Die Erzeugung dieses unerhört hierarchischen Systems von Millionen, Milliarden, einfach unzählbar vielen Kinder- und Kindeskinder-Apfelmännchen, dieses unglaublich komplexen Systems, ist ebenso unglaublich einfach. Man benutzt die rekursive Gleichung

Zn+1 = Zn * Zn + C                          

( Z und C komplex,  Zo=0,
d.h. C = a + i b , Z = x + i y , mit i
* i = -1 , oder Z = r * exp( i j) = r * ( cos(j)+ i sin(j) )
mit r = sqrt( x* x + y* y) = Betrag von Z , j = arctan( y / x ) = Phasenwinkel
konkret im Rechner: x1 := x* x - y* y + a;    y1 := 2* x* y + b;    x :=x1;     y :=y1; als Iterationsschleife )

im komlexen Zahlenbereich an jedem beliebigen Punkt C, beginnend mit Z=0. Wir sehen also auf dem Bildschirm vor uns die Komplexe Zahlenebene mit der waagerechten Achse a und der senkrechten Achse b. Wir wählen ein beliebiges C als Position des nun betrachteten Punktes und tun weiter nichts, als Z zu quadrieren und dasselbe Positions-C dazuzuaddieren. Das Ergebnis wird wieder Z genannt und erneut quadriert usw., immer wieder derselbe Ablauf. Man bricht ab, wenn das Z riesengroß wird, also eindeutig nach Unendlich flieht (divergiert). Passiert das, trägt man einen weißen Punkt bei C ein. Alle anderen C, die das Z auf einen festen Wert oder eine wiederkehrende Folge von Werten zwingen, oder die Entscheidung sehr lange geheimhalten, werden schwarz markiert und gehören so zum Apfelmännchen. Das ist alles. Man muß nur noch den Bildschirm mit den auf diese Weise ermittelten schwarzen oder weißen Punkten füllen. Hat man mehr Farben oder Grauwerte zur Verfügung, kann man außerdem die Schnelligkeit des Divergierens oder Konvergierens gesondert kodieren oder anderes Z-Verhalten beim Abbruch, um so den weißen oder schwarzen Bereich noch genauer zu analysieren. Meist dient die Zahl der Iterationen bis zum Überschreiten einer beliebig gewählten Schranke als Markierung. Man muß wissen, was programmiert wurde, wenn man versucht, solche Bilder zu "deuten". Glatte Linien sind immer künstlich entstanden, wie die Höhenlinien auf einer Gebirgskarte.

Die sogenannten Juliamengen (nach einem franz. Mathematiker mit Nachnamen Julia) entstehen über die gleiche mathematische Iteration wie die Mandelbrotmenge, nur daß man hier nicht überall mit Zo=0 beginnt, sondern daß die Bildebene als komplexes Zo-Raster aufzufassen ist, mit einem für das gesamte Bild konstanten Parameter C . Waagerecht im Bild liegt die Achse des Realteils von Zo und senkrecht dessen Imaginärteil. Oft ähnelt die Juliamenge für C dem Zoom eines sehr kleinen Fensters aus dem Apfelmännchen bei C.

Weitere Verwandte des Apfelmännchens

Das Apfelmännchen gehört zur Familie der Rekursionen Z gleich Z hoch k plus C. Bild_Familie.

Für sehr große k wird der Einfluß der Addition von C immer unbedeutender und das Trennungsgebiet Divergenz-Konvergenz nähert sich immer mehr dem Einheitskreis. Die Abweichung betrifft jeweils k-1 knospenartige größte Ausstülpungen entlang der Kreislinie. Diese sind ebenso annähernd rund und gleichzeitig fraktal aufgebaut, wie die größte Hauptkugel des Apfelmännchens bei C=-1. Nur werden selbst die größten Knospen mit steigendem k immer kleiner, um mit wachsender Anzahl auf den "Kreisumfang" des ehemaligen Einheitskreises zu passen. Auch ihr Antennen-Netz unterliegt einer entsprechenden Komprimierung.

Demnach finden wir beim Apfelmännchen (k=2) die größte Abweichung vom Einheitskreis, d.h. den extremsten Symmetriebruch, deshalb die deutlichsten Randstrukturen und zudem die einfachsten Operationen, die schon das Geheimnis der ganzen Familie vertreten : Eine Multiplikation und eine Addition. Damit erhält das Apfelmännchen eine exponierte Stellung als Testobjekt.

Alles am seidenen Faden

Verfolgt man das Verhalten der Variable Z genauer, findet man bald bestimmte Symmetrien heraus. Je größer eine Kakteenkugel ist, umso ärmer an Verzweigungen sind ihre zentralen Antennen. Als Antennen bezeichnet man hauchdünne Linien im Divergenten, die von der Spitze einer Kugel ausgehen und auf ein gerade sichtbares Mikro-Apfelmännchen weisen. Auf diesen Linien iteriert der Computer viel länger, bis er doch noch divergiert. Sie verzweigen sich danach, und die verzweigten Antennen weisen wieder auf ein solches, manchmal sogar noch größeres, Mikro-Anhängsel.( Serie2 , Serie1) Die gesamte Umgebung paßt sich dieser "Geometrie" an. Geht man tief in eine Kerbe zwischen einer Kugel und dem Hauptkörper und betrachtet die dort ansässigen Kügelchen von der Nähe, dann erkennt man die Verzweigungen nicht wieder. Sie haben dort hunderte von Zweigen aus einer Stelle heraus.(Bild_oben) Die Antennen sind nicht mehr als Linien zu verfolgen, sondern sind Teile von Spiralen in Spiralen. Sie trennen Gebiete sehr schwacher von Gebieten relativ starker Divergenz, aber wirkliche Konvergenz findet man nur dort, wo man wieder ein Apfelmännchen trifft. Die Spiralarme spannen kraftfeldähnliche Brücken zwischen größeren Apfelmännchen auf, werden aber selbst getragen von einem fraktalen Gerüst jeweils sehr kleiner Apfelmännchen. Würde man viele hunderttausende Iterationen abwarten, blieben wirklich nur diese Kerne übrig als Verdickungen des unendlich dünnen, unvorstellbar verästelten Antennen-Netzes.

Ohne fadenförmige Verbindung existiert nichts Schwarzes, aber auch gar nichts Schwarzes am Apfelmännchen. Als Schwarz ist hier alles Nicht-Divergente gemeint. Ich will damit sagen, daß in allen Randzonen nichts ‘in der Luft hängt’, wenn es auch oft so scheint. Fast alle dieser hauchdünnen Linien verschwinden im Bildschirmraster, sind nur sehr schwer auflösbar.

Jede als Linie sichtbar gewordene Antenne besteht offenbar aus einer Perlenschnur hierarchisch aufgebauter, aber größtenteils unvorstellbar kleiner Apfelmännchen. Bei hohen Symmetriezahlen (tief in den Kerben) ist diese Perlenschnur selbst zur Seepferdchen-Landschaft entfaltet. Allerdings gibt es im Mittelpunkt der dreizackigen, fünfzackigen, d.h. aller ungeradzahligen

jede Stelle in jeder Tiefe von Juliamenge C=i sieht fast so aus

Antennengabelungen, die etwa ab 29-zackige als Seepferdchenauge (Bild Auge)bezeichnet werden, keine zyklische Apfelmännchen-Perle, sondern nur die unendlich dünne Perlenschnur des puren Chaos. Der Beweis ist die Juliamenge bei C = i (BildC=i), in der nur Antennen ( = Divergenz, ungebundene Strahlung, Faden, Energie, Geist), aber keine Apfelmännchen (Konvergenz, Gleichgewicht um Null, Kondensat, Materie) zu finden sind. Alle Verzeigungen dieses Bildes entsprichen einem Seepferdchenauge, haben aber statt 29 Zacken nur drei.

 

Lebendige Dynamik

Im Apfelmännchen, als der denkbar einfachsten Iterationsfolge, spielen auch die zwei denkbar einfachsten Attraktoren die entscheidende Rolle: Die Null und Unendlich. Das ist klar für den Spezialfall C=0 (Koordinatenursprung) und |Zo|=1, der die Konvergenz und Divergenz am Einheitskreis betrifft. Hier entscheidet die skalare Polarkoordinate r das Verhalten. Da aber C in der Fläche ungleich Null ist, wird die Polarkoordinaten-Vereinfachung gestört. Die Dynamik der Winkelkoordinate j gewinnt an Bedeutung.

Das wiederholte Quadrieren einer komplexen Zahl verdoppelt jeweils j und vergrößert oder verkleinert den Betrag r quadratisch. Die Gesamtbewegung ist ein spiralförmiges, sprunghaftes Drehen im Gegenuhrzeigersinn.

Der komplexe Zeiger kann aus einem großen Sprung heraus in der Nähe der positiven x-Achse landen und muß plötzlich kriechend weiterkommen. Doch immer wieder wird er durch die Vektoraddition auf dem kürzeren Weg in Richtung C gezogen. Die aktuelle Konstellation von Z2 bezüglich C entscheidet die weitere Drehrichtung. Überwindet der Zeiger nach x Runden den 2p-Kasten (Reduzierung um 2p) so, daß eine irgendwann gehabte Postion identisch erreicht wird, ist das Einschwingen beendet. Beim Fixpunkt wird diese Stelle nach jeder Iteration getroffen.

Betrag r und Winkel j sind durch die wiederkehrende nichtlineare Vektoraddition verkoppelt. Das Noch-Nicht-getroffen-Haben einer Größe hat das Wieder-Abdriften der anderen zur Folge. Dadurch wird das spiralige Einschwingen plausibel, die geschlossenen Flächen gleichen Verhaltens (Kakteenkugeln) verständlich. Der komplexe Zeiger kann sich dort asymptotisch seinen festen oder zyklischen Ruhepunkten nähern. Er landet auf dem periodischen Attraktor, wie ein Schwinger bei seiner Nullpunktenergie.

Man kann es auch anders sagen: Die beiden Vorgänge Multiplikation und Vektoraddition müssen kooperativ zusammenwirken, um gemeinsam ein Tal zu finden, wo Z in Frieden schwingen (leben) kann. Zufällig ist das nicht. Die irrationale Landschaft der Komplexen Zahlenebene unter diesen Operationen liegt fest. Irrationalität hat auch viel mit den Primzahlen zu tun. Soviel zum Entstehen der Apfelmännchen-Leiber.

Aber was ist mit den Antennen, mit dem Seepferdchen, seinem spiraligem Schwanz und seinem saugenden Auge ? Wie kommt es zu dieser unglaublich vielgestaltigen Pufferzone zwischen endlichen Attraktoren und der äußeren Unendlichkeit ?

Verliert die Vektoraddition +C ihren rücktreibenden Einfluß, dann jagt die r-Explosion den Punkt nach Unendlich. Dies kommt in den Randgebieten aller Apfelmännchen überwiegend vor, oft plötzlich von einem Punkt auf den andern. Das divergente Verhalten weist auf instabile Vorgänge hin, ein Zerstören der Struktur, Verdunstung, Explosionen. Als weitere Beispiele seien auch Eigenresonanz, zuviel Absorption des Systems aus der Umgebung (Aufheizung), mangelnde Abschirmung oder Reflexion genannt.

Sobald drei unabhängige Größen in gegensätzlicher Weise zusammenwirken, kommt es zu Strukturbildungen. Die hier betrachteten Bilder definieren sich allgemein durch drei Angaben:

1) die konkreten Operationen in einer Rekursion
2) die Anfangswerte der Iteration und
3) die konkreten Kontrollparameter C.

Das sind drei Einflußgrößen. Sieht man genauer hin, werden die Attraktoren, z.B. beim Apfelmännchen, durch folgendes Zusammenspiel erzeugt: Die Vektoraddition zwischen Z2 und C hält das Geschehen zusammen. Explosivkraft beinhaltet die Funktion Z2, speziell r2, während die Verdopplung der Phase in Zusammenhang mit dem 2-p-Kasten eine zusätzliche Dynamik bedeutet, die Einfluß auf die Richtungs-Geometrie hat, und damit auf die Wirksamkeit der Vektoraddition. Wir erkennen wiederum drei Einflußgrößen


1) die Explosion r*r
2) die Eigendynamik des 2p-Kastens ( Fehler in Mathematik, siehe Logamentus)
3) die Vektoraddition .

Immer sind Strukturbildungen mit der Kombination von mindestens drei Einflußgrößen verbunden. Zwei Größen allein reichen nicht aus, sie bilden eine monotone, z.B. ansteigende, Abhängigkeit. Erst eine dritte Größe kann diese Monotonie unterbrechen.

Zwei überlagerte periodische Vorgänge verhalten sich wie ein neuer derselben Art. Diese Symmetrie wird mathematisch schon durch die Umkehrbarkeit von Produkten und Summen zweier Winkelfunktionen sichtbar

2* COS( A ) * COS( B ) = COS( A-B ) + COS( A+B ) ...................................(A1)

COS( D ) + COS( E ) = 2 * COS( ( D-E ) / 2 ) * COS( (D+E) / 2 ) ..........................(A2)

Es sind jeweils beide Formen ununterscheidbar präsent. Führt man eine dritte unabhängige Größe ein

4* COS(A) * COS(B) * COS(C) =
COS(A+B-C)+COS(B+C-A)+COS(C+A-B)+COS(A+B+C) ..............................(A3)

existiert die eindeutige Umkehrung nicht mehr. In (A3) können A, B und C für die Umkehrung keine unabhängigen Größen mehr sein. Nur an Stellen, wo sie genau die geforderte Abhängigkeit besitzen, ergibt sich ein gemeinsames Produkt, eine neue Stabilität, wie bei Kompensation aller Kräfte. Dort sind markante Zentren, Linien oder Flächen einer Struktur. Die dritte Größe wirkt wie eine Kraft. Für mehr als drei Größen werden die Kompensationsbedingungen noch seltener erreicht. "Kraft" in diesem Sinne kann große Qualitätsunterschiede haben, die von der Anzahl und Anordnung der strukturerzeugenden Vorgänge abhängen. Kraft in diesem umfassenden Sinn ist nicht mehr mit einer einfachen Vektordarstellung erfaßbar.

Das Alter eines nichtmateriellen Abstraktums

Verblüffend am Apfelmännchen sind vor allem die Kräftegleichgewichte. Man sieht sie überall im Randbereich der Mandelbrotmenge, wo die größeren Apfelmännchen genau im Schwerpunkt liegen, wie wenn die umliegenden Strukturen Kräfte ausübten (Serie2, Nest1, Nest2 ). Diese mathematischen Iterationen scheinen uns Beispiele für flächenhafte Kräfte zu liefern.

Mich hat mal jemand gefragt: Wie wächst so ein Fraktalbild? Gibt es da auch fetale Phasen, einen Embryo, eine dickliche Babyphase, eine schlanke Jugendform, bis es dann endlich fertig ist und in voller Pracht vom Bildschirm flimmert? Sehen Sie es: Holen Sie sich das Programm WinCIG .

Indem man die Zahl der Iterationen als Farbe markiert, und dann beim Betrachten nur noch am Farbkeil die Abschnitte Stück für Stück zuschaltet, kann man es "zur Welt kommen" sehen. Die Kugeln wachsen wie beim Baumstamm in Jahresringen und schließlich strukturiert sich der Rand immer schärfer. In je kleinere Randgebiete man vordringt, umso länger muß man warten, bis die indifferenten Punkte in den Kerben zu divergieren beginnen. Erst tun sie so, als gehören sie zum Apfelmännchen, spazieren brav im Rand-Chaos herum, ohne auszuflippen. Aber dann, nach 9500 Iterationen, fällt es ihnen doch plötzlich ein, nach Unendlich zu rasen. Bei einem Apfelmännchen der Größe 1E-8 darf man nicht unter 10000 Iterationen abbrechen, damit es keinen verschwommenen, wie zugeklecksten Rand bekommt. Das nächste Apfelmännchen, wiederum in dessen Randstruktur (ca.1E-10) würde wahrscheinlich 100 000 Iterationen pro Punkt brauchen, um schön zu werden, für manchen Heimcomputer ein mehrtägiges Projekt.

Als Modell für das natürliche Wachsen einer solchen Landschaft bietet sich folgendes allgemeinverständliche Beispiel an: Das Apfelmännchen einer beliebigen Hierarchie wird geboren zwischen zwei verschiedenen Ladungsbergen. Erstmal sieht es aus wie ein Tintenklecks. Aber wenn wir etwas warten, ordnet sich die Randstruktur nach den Feldverhältnissen. Nur mit neu entstehenden Ladungstrennungen kann es sich gegen weitere Explosionen schützen, denn was oben und unten von ihm liegt, ist Plus und Minus und will zusammenkommen und zerstrahlen. Diese dazwischen entstehende dicke verwickelte Küstenlandschaft ist Schutzschild und Bremse. Die Natur schafft sich einen Kühlmechanismus, der die gefährliche Reaktionsenergie einkreist und fortleitet, vielleicht auch umwandelt (abstrahlt woandershin, siehe Abschnitt ‘Ein nichtmaterielles Kraftwerk’). Gelingt das Bremsen und Kühlen nicht, müßte das Apfelmännchen wachsen, bis endlich doch der Panzer dick genug wäre. Innerhalb des Panzers aber spielen sich die gleichen Dramen ab, die dem betrachteten Apfelmännchen im Großen widerfahren sind. Mit der Zeit frißt sich das offenbar einzig mögliche Ladungsverhalten (Ausgleichsverhalten) in die Tiefen der Randzonen. Wenn wir das Apfelmännchen herstellen, wiederholen wir seine "stammesgeschichtliche" Entwicklung. Je länger der Rechner iteriert, desto später entstand die Region, in der der Punkt liegt.

Wenn wir wissen, wie sich nach und nach die kleinen Rand-Apfelmännchen bilden, muß man konsequenterweise auch das Große so entstehen lassen: Es waren einmal zwei einzige Schornsteine zur Hexenküche, wie ein Berg aus Wasserstoff und ein Berg aus Sauerstoff, bei Plus Imaginär-Unendlich und bei Minus Imaginär-Unendlich. Das Werk Gottes ? Der Rest kam von selber. Nach einem großen Knall bildete sich um die Null herum ein erster See aus kochendem (Kühl-)Wasser zwischen den beiden Bergen. Die Explosion riß in Ufernähe neue kleinere Schornsteine zur Hexenküche, die als Zwischengipfel (Quellen von Wasserstoff oder Sauerstoff - es gibt zwei Sorten von Augen !) neue Seen auf Zwischenplateaus zeugten. Von den Bergseen fließt das Wasser in Flüssen auf das nächste Sammelbecken zu, die alle letztendlich in den großen tiefen ersten See münden. Die Entstehung jedes Wassermoleküls (Mini-Apfelmännchen) wehrt Hitze aus der Hexenküche ab, bildet einen Damm, der in der Summe als Schaum die Ufer säumt, und weiter drängt, wo er kein Gleichgewicht findet. Der erste Anfangs-Explosionsknall geht in beschleunigtes Geknatter über, welches wiederum kein Ende nimmt.

Von Minus Reell-Unendlich her scheint Ladungswind zu wehen und macht, daß die Spiralen oben rechts herum, unten links herum drehen. Wir sind am Äquator der Riemannschen Zahlenkugel. Sie rotiert ! Die große Zweierzykluskugel auf der negativen reellen Achse war der Nachhall des ersten großen Knalls, wie ein dopplerverschobenes Echo. Dem Blitz folgt der Donner und wir beobachten die Spuren des Donnergrollens entlang der negativen reellen Achse. Sie bilden Stoßwellenfronten mit ihren senkrecht abgespreizten nadelspitzen Antennen, die stecknadelgroßen Apfelmännchen der negativen reellen Achse. Es sieht so aus, als ob ein nach Plus Reell-Unendlich fliegender Riesenjet einen scharfen Kondensstreifen hinterläßt. Das übrige Wettergeschehen in den kleinsten Nischen zieht den falsch gewickelten Spiralen die Beine lang (BildW, BildWb), weil die neu entstandenen Seen auch wie Nadeln fest im Boden stecken. Nur die in günstiger Richtung gewickelten Spiralen widerstehen dem Wind und leiern nicht auf. Auf dem Bild sieht man genau, daß offenbar jede Strukturtiefe sich sträubt, die Drehung mitzumachen. Trägheit in einem nichtmateriellen Abstraktum ?

Fortsetzung Teil 1b

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